Tellair

Kaum ein halbes Jahr nach dem spektakulären Konkurs der Basler Chartergesellschaft Globe Air wird am 18. März 1968 in Bern die neue Tellair ins Handelsregister eingetragen. Ihr Hauptziel ist, den Ausfall des Charterflüge zwischen England und Interlaken zu kompensieren, der nach dem Ende der Globe Air entstanden ist. Ausserdem sollen Touristenflüge ab Interlaken nach Destinationen in Skandinavien und Deutschland aufgebaut werden. Auch soll eine zweimal wöchentlich bediente Linie zwischen Bern-Belpmoos und London geschaffen werden. Als Starttermin für die Eröffnung dieser Flugoperationen wird das Frühjahr 1969 genannt.

Wie die Interessen der neuen Gesellschaft gelagert sind, widerspiegelt sich in der Verteilung des Aktienkapitals in der Höhe von CHF 360'000. Fünfzig Prozent sind in Berner Besitz, mit einem für eine Airline sehr speziellen Aktionariat (Kanton Bern, Berner Kantonalbank, Einwohnergemeinde Interlaken, Jungfraubahn, Wengeneralpbahn, Verkehrsverein Interlaken, Transportunternehmen Marti). Mit einem Sechstel partizipierten der Kanton Wallis, die Stadt Sion und der Walliser Verkehrsverband, während das verbliebene Drittel durch British Eagle International Airline gezeichnet wird, die auch den Direktor, Captain John Mickie, stellt und zusätzlich mit ihrem Berater Thomas Keane im Verwaltungsrat vertreten ist.

Noch bevor der Betrieb aufgenommen werden kann, muss die Partnergesellschaft British Eagle anfangs November 1968 den Betrieb aus finanziellen Gründen einstellen und den Bankrott erklären. Trotzdem bleibt man in Bern optimistisch und beginnt mit der Suche von Direktionsmitgliedern, Flugzeugbesatzungen und Mechanikern. Letztere werden benötigt, weil man in Bern und Basel-Mulhouse einen eigenen technischen Dienst aufbauen will. Zudem geht die Suche nach Geldgebern weiter, sind doch bis Ende 1968 statt den erwarteten drei bis fünf Millionen Franken erst die an der Gründungsversammlung vereinbarten CHF 360'000 einbezahlt.

Ende 1968 kann mit Caledonian Airways ein Ersatzpartner auf der operationellen Seite gefunden werden. Danach können auch zwei Flugzeuge, eine Convair CV-440 Metropolitan der Lufthansa und eine Bristol Britannia 324 von Caledonian Airways erworben werden. Während die Convair Metropolitan Touristen nach Bern, Interlaken und Sion fliegen soll, plant man den Einsatz der Bristol Britannia auf Flügen mit ferienhungrigen Schweizern ab den Flughäfen Basel-Mulhouse, Genf und Zürich.

Mit verschiedenen in- und ausländischen Reiseveranstaltern können noch vor der Betriebsaufnahme Verträge im Wert von mehr als fünf Millionen Franken abgeschlossen werden, beispielsweise für Flüge ab Zürich und Basel-Mulhouse nach Djerba, Faro, Funchal, Istanbul, Las Palmas, Mombasa, Palma, Rhodos, Tanger und Tunis

Als erste Maschine trifft am 11. März 1969 die von Lufthansa erworbene Convair Metropolitan HB-IMQ in Basel-Mulhouse ein. Die aus Liquidationsbeständen der British Eagle stammende Bristol Britannia landet nach einer Grundüberholung bei Airline Engineering Ltd in Luton am 25. März in Basel-Mulhouse. Bereits am 2. Mai 1969 erscheint eine zweite Bristol Britannia der Tellair in Basel-Mulhouse. Wie die Schwestermaschine bleibt sie aus finanziellen und betrieblichen Gründen in Grossbritannien immatrikuliert und wird mit Cockpitbesatzungen von Caledonian Airways eingesetzt. Optimistisch werden Gespräche aufgenommen mit der British Aircraft Corporation und mit Fokker, über den Kauf einiger BAC 111 One-Eleven bzw. Fokker F28 Fellowship, die ab Sommer 1971 eingesetzt werden sollen.

Im Laufe des Spätsommers 1969 teilt das Eidgenössische Luftamt Tellair mit, dass für eine Verlängerung der bisher nur provisorisch erteilten Betriebsgenehmigung eine Erhöhung des Aktienkapitals sowie der Kauf der beiden gemieteten Bristol Britannia unumgänglich sei. Für die Immatrikulation der beiden Maschinen in der Schweiz – die Behörden reservierten die Kennzeichen HB-ITF und HB-ITG – müsse allerdings auch die Kapitalmehrheit der Fluggesellschaft aus der Schweiz stammen.

Trotz einer intensiven Suche nach neuen Geldgebern in der schweizerischen Wirtschaftswelt kann Tellair die behördlichen Auflagen nicht erfüllen. Am 31. Oktober 1969, nach nur einer Sommersaison, muss sie den Flugbetrieb wieder einstelle

Fehlerhafte Kalkulationen, der Konkurs von British Eagle, die Bedingungen des Schweizer Luftfahrtsgesetzes und zuletzt noch die kurzzeitige Beschlagnahmung einer Bristol Britannia in Mombasa führen zum Untergang der Chartergesellschaft. Innerhalb von sechs Monaten sind etwas mehr als 150 Flüge durchgeführt worden, zu Preisen, die oft nicht einmal die Selbstkosten deckten. Eine Parallele zur Globe Air ist also auch hier vorhanden. Traurig ist aber auch, dass dieselben Reiseorganisationen von den Billigpreisen der Tellair profitierten, die nur kurze Zeit zuvor die Globe Air in den Ruin getrieben haben. Leider wiederholt sich dieser Vorgang immer wieder, da neue Airlines oft (oder eher meistens) unterfinanziert und anderseits dringend auf jeden Auftrag angewiesen sind.

Bereits im November 1969 stellt die Tellair ein Gesuch um Nachlasstundung, das durch die Gläubiger allerdings abgelehnt wird. Im Februar 1970 entscheidet sich das Berner Obergericht doch für einen Nachlassvertrag, doch muss Tellair Ende August 1970 trotzdem den Konkurs anmelden. Zurück bleiben ein Schuldenberg von vier bis fünf Millionen Franken und kaum Aktiven. Die beiden von Caledonian Airways gemieteten Bristol Britannia werden von ihrem Besitzer zurückgeholt, während die auf Raten erworbene Convair Metropolitan an die Lufthansa zurückgegeben werden kann, die grosszügigerweise einen Restbetrag zurückerstattet. Die Ersatzteile und technischen Geräte werden billig veräussert, ohne dass dabei ein nennenswerter Gewinn resultiert.

Flotte:

HB-IMQ Convair CV-440 Metropolitan März 1969 bis Oktober 1969
G-ARKA Bristol 175 Britannia 324 März 1969 bis Oktober 1969
G-ARKB Bristol 175 Britannia 324 Mai 1969 bis Oktober 1969


Werner Soltermann