Crossair – Teil 2, 1988–1994

1988, bei einem Aktienkapital von 160 Millionen Franken, erwarb die Swissair 38% des Kapitals der Crossair und 41% der Stimmrechte. In einem Vorvertrag mit Saab erklärte Crossair ihre Absicht, die Flotte durch den speziell nach ihren Anforderungen zu bauenden Saab 2000 zu ergänzen. Ein Jahr später belief sich das Aktienkapital bereits auf 215 Millionen Franken. 1989 wurde Crossair wiederum als «Regional Airline of the Year» ausgezeichnet.

Am 22. Februar 1990 brach wegen einer Fehlbedienung das Fahrwerk der HB-AHA, der ersten Saab Fairchild SF-340 der Crossair, in Zürich, am Boden zusammen. Wegen zu hoher Reparaturkosten wurde die Maschine zerlegt und teilweise als Kabinentrainer und Cockpit-Simulator weiterhin verwendet. Die Triebwerke dienten als Reserve für andere Maschinen.

Mit dem Fokker 50 HB-IAN wurde im Mai 1990 die erste grössere Turboprop-Maschine übernommen. Abgeliefert am 8. Mai 1990, wurde er bereits ab dem 21. Mai 1990 in den regelmässigen Liniendienst übernommen. Eine Schwestermaschine wurde im September erwartet, und drei weitere folgten bis Juli 1991. Die Betriebskosten der Fokker 50 sind, pro Sitzplatz gerechnet, deutlich niedriger als beim Saab 340, allerdings nur bei entsprechendem Verkehrsaufkommen.

Abgesehen von einer Douglas DC-9-32, die Crossair Anfang der achtziger Jahre kurz von der Balair anmietete, blieb sie bisher eine reine Turboprop-Fluggesellschaft. Die für viel Geld ausgebildeten Cockpit-Besatzungen hatten firmenintern darum nur geringe Aufstiegs- und damit Verdienstmöglichkeiten. Dies führte zu einer hoher Fluktuation in den Cockpits, die auch durch ein Kooperationsabkommen mit der Swissair nicht vermindert werden konnte. Nun wurden die nötigen Lizenzen beantragt, um Flugzeuge mit mehr als 40 Plätzen und auch Jets betreiben zu können. Crossair entschied sich für die viermotorige British Aerospace (BAe) 146 und mietete vorerst drei BAe 146-200A aus Beständen von Air Wisconsin (USAir Express), mit der Absicht, sie ab 1993 durch fabrikneue Maschinen zu ersetzen. Die sehr guten Start- und Landeleistungen, die vor allem in Lugano und Bern, aber auch auf dem London City Airport zentral sind, waren entscheidend für die Typenwahl.

Am 17. Mai 1990 traf die HB-IXB als erste Maschine in Basel ein, in den nächsten Monaten gefolgt von zwei weiteren Maschinen. Nach Modifikationen und dem Crew-Training wurde sie ab Juni 1990 auf Charter- und Linienflügen eingesetzt. Im Rahmen einer öffentlichen Pressevorstellung am 21. Juni 1990 in Lugano wurde die HB-IXB «getauft». Schon bald wurde sie aber bei der Crossair, bei den Passagieren und bei den Enthusiasten als «Jumbolino» bekannt, als kleiner «Jumbo» (Boeing 747) also, mit dem sie die vier Triebwerke gemeinsam hat. Da die 82 Sitzplätze der BAe 146 für einen kostendeckenden Betrieb besetzt werden müssen, wurde die Erweiterung der Lizenzen (bisher 60 Plätze) beantragt.

Crossair entdeckte bald, dass sich Flugzeuge sehr gut als Werbeträger eignen. Schon 1988 erschien der Saab 340A HB-AHM mit grossen Aufklebern von «Le Clip», einer ganz neuartigen, ansteckbaren Kunststoff-Uhr. Anlässlich der 700-Jahrfeier der Schweiz veranstaltete Crossair einen Malwettbewerb an den Schulen, ihr Beitrag zum nationalen Jubiläum. Gewonnen hat ihn der damals zehnjährige Giacomo Fiscalini, dessen Motiv auf der Saab Fairchild SF-340 HB-AHD noch jahrelang frohe Farben auf die europäischen Flughäfen brachte. Legendär wird später auch ein Saab 2000 in den Farben des «Phantom oft the Opera» sein, oder eine McDonnell Douglas MD-83 als McPlane.

Mit einer eigenen Finanzierungsgesellschaft (Aviation Financial Services) und mit Beteiligungen konnte Crossair verschiedene ihrer älteren Saab 340A bei Partnergesellschaften unterbringen. Mit einer Drittels-Beteiligung wurde 1990 in der Slovakei die Tatra Air mitbegründet, die mit zwei Saab 340 Bratislava mit Zürich und München verband. Ebenfalls im Jahr 1990 gründete Crossaie gemeinsam mit der französischen TAT und der Air France die kurzlebige Regional-Airline Alsavia, die mit einem Saab 340 Regionalflüge ab dem französischen Teil des EuroAirport aufnahm, ihren Saab 340B F-GKLA jedoch bereits im Frühjahr 1991 wieder an Crossair zurückgeben musste. Von 1990 bis 1996 beteiligte sich die Crossair mit 15% an der britischen Business Air mit Sitz in Aberdeen.

Abgesehen von Schwierigkeiten mit den italienischen Behörden über die Anflugverfahren nach Lugano, was die geplanten Charterketten zeitweise verunmöglichte, entwickelte sich die Crossair mit schnellen Schritten. 1990 beförderte sie bereits mehr als eine Million Passagiere in einem einzigen Kalenderjahr. Ausser in den vom Golfkonflikt beeinflussten Jahren 1990/91 erwirtschaftete Crossair immer gute Gewinne. Entscheidend war die im Vergleich mit der Swissair günstigere Kostenstruktur, aber auch die flachen Hierarchien mit relativ schmalen Lohnbändern. Ein Viertel des durchschnittlichen Jahreserlöses wurde als Benefit an die Mitarbeitenden ausbezahlt.

1992 wurde die Swissair Mehrheitsaktionärin von Crossair. Ebenfalls in diesem Jahr wurde die neue Basis mit Hangar, technischem Betrieb, Büros sowie einem Konferenz- und Ausbildungszentrum auf dem EuroAirport bezogen. Und als erste Gesellschaft flog Crossair mit einem Jet, dem «Jumbolino», den neuen Londoner Stadtflughafen London City Airport an. Noch bevor die bestellten Nachfolgemuster für die BAe 146-200 eintrafen, ab September 1991, setzte Crossair in ihren vollen Farben die gemietete, grössere BAe 146-300 HB-IXZ ein, ab März 1994 ergänzt durch die BAe 146-300 HB-IXY.

1993 wurden die zur Ablösung der BAe 146-200 bestellten vier Avro RJ85 geliefert. Die Beteiligung der Swissair wurde auf 56.1% des Aktienkapitals und 59.8% der Stimmrechte ausgeweitet. 1994 trafen auch die ersten vier Saab 2000 ein und erhielten wegen ihrer für Turboprops hervorragenden Reisegeschwindigkeit den Namen «Concordino». Das Streckennetz umfasste mittlerweile 45 Destinationen in 14 Ländern. Mit einer Flotte von 36 Flugzeugen wurden 1994 nahezu zwei Millionen Passagiere befördert.

1995 bestellte Crossair 12 Avro RJ100, die verlängerte Variante des britischen Regionaljets und übernahm damit vorwiegend in Zürich die Flüge, welche die Swissair zuvor mit ihren Fokker 100 durchgeführt hatte. Avro nahm 10 Fokker 100 in Zahlung, als die Swissair für ihre Tochter Crossair weitere Avro RJ100 bestellte.

Ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen, als der Swissair-Verwaltungsrat im März 1995 beschloss, die Tochtergesellschaft BalairCTA aufzulösen und deren Kurzstreckengeschäft an die Crossair zu übertragen. Crossair übernahm dazu acht McDonnell Douglas MD-82/83 von BalairCTA sowie fünf MD-81 und zwei MD-83 der Swissair. Die kurzfristige Übernahme erwies sich als grosse Herausforderung an die Unternehmung und Logistik. Sowohl das Chartergeschäft als (ab Winterflugplan 1995) auch das Liniennetz wurde stark ausgebaut, u.a. durch Flüge Basel-Prag, Basel-Manchester, Genf/Zürich-Palma de Mallorca, Zürich-Valencia, Zürich-Las Palmas. Bestehende Routen, z.B. von Zürich nach dem London City Airport, wurden aufgestockt, ebenso wie das Aktienkapital, das nun gegen 330 Millionen Franken betrug. Erstmals wurden in einem Jahr mehr als zwei Millionen Passagiere befördert. Für 1996 wurde das ambitionierte Ziel von vier Millionen Passagieren vorgegeben, mit einer Flotte von 46 Flugzeugen.